1. März 2019
Gründungsstory: Semalytix

Algorithmen für die Pharmaindustrie

Startups Story

„Semalytix in einem Satz zu beschreiben, ist unmöglich. Das versuchen wir seit vier Jahren“, sagt Janik Jaskolski. Der 31-Jährige muss es wissen. Er steckt schließlich tief in der Materie drin. So wie seine Mitgründer, die Informatiker Philipp Cimiano, Matthias Hartung und Roman Klinger. Durch eine Ausgründung beim CITEC, dem Cognitive Interaction Technology Center of Excellence der Universität Bielefeld, brachten die vier das Bielefelder Start-up auf den Weg.

Das Bielefelder Start-up ist heute weltweit führend in den Bereichen Semantic Computing, Natural Language Processing, Machine Learning und Artificial Intelligence. „Wir konzentrieren uns mit den von uns entwickelten Algorithmen und Tools auf das Pharmageschäft“, so Janik Jaskolski, der das Start-up mit der Arbeit auf einer Bohrinsel vergleicht. „Im ersten Schritt besteht unsere Arbeit darin, in die Ölquelle einzudringen. Im Zweiten wird das Öl aufbereitet und im letzten Step wird es in Pipelines dorthin geleitet, wo es gebraucht wird.“ Angewandt auf die Pharmaindustrie heißt das: Semalytix interessiert sich dafür, welche ‚Spuren‘ Produkte der Pharmaindustrie hinterlassen, wenn sie nach der postklinischen Phase auf den Markt kommen. 

Machine Reading

„Das ist ein sehr komplexer Prozess“, erklärt Janik Jaskolski. „Wir wollen im Auftrag unserer Kunden beispielsweise erfahren, wie Menschen mit Medikamenten leben oder ob alle Einsatzmöglichkeiten gesehen wurden.“ Die von Semalytix entwickelten Technologien bringen die Voraussetzungen mit, dies zu tun. „Wir können mit unseren Tools Trends analysieren. Der größte Mehrwert besteht jedoch darin, dass wir Texte semantischer tiefer verstehen und erklären können, warum Trends entstehen“, so der 31-Jährige, der sich in seiner Masterarbeit mit Kognitiver Informatik und Intelligenten Systemen beschäftigte. Heute macht sich Semalytix Tools wie Machine Reading zunutze, um pharmazeutische Texte so lesen wie jemand, der sich in der Branche bestens auskennt und Zusammenhänge erkennt. „Wenn man der KI einmal Erkennungsmerkmale beigebracht hat, sind Entscheidungen unendlich reproduzierbar“, erklärt Janik Jaskolski das Prinzip. Die Basis bildet intrinsisches Wissen, das in einem Knowledge Graph hinterlegt ist. „Hier findet sich alles, was die Pharmaindustrie ausmacht. Die KI macht sich diese Strukturinformationen zunutze“, sagt Janik Jaskolski. „Dadurch ergibt sich ein Textverständnis, das dem eines Menschen ähnelt.“ Was sich in der Theorie einfach anhört, ist in der Praxis aber nicht immer so problemlos übersetzbar. „Ein toller Algorithmus bedeutet noch lange nicht, dass man alles so schnell und nah zusammenbringen kann wie im Beispiel mit der Bohrinsel“, so der Informatiker. Die Herausforderung besteht darin, Algorithmen und Tools mit gewachsenen Unternehmensstrukturen so nah wie möglich zusammenzubringen.

Der Bedarf kommt aus dem Markt

Als ihn sein Faible für Wissenschaft und Informatik nach dem Abi nach Bielefeld verschlug, hätte Janik Jaskolski nicht geahnt, dass er einmal ein Unternehmen mit gründen würde. Schließlich wollte er eigentlich seinen Doktor in England machen. Sein Praktikum bei einem Pharmaunternehmen, mit dem er die Zeit überbrückte, sorgte für die Wende. „Damit begann die Verkettung wunderbarer Zufälle“, stellt Janik Jaskolski mit einem Schmunzeln fest. Denn Algorithmus und Tools, die er während dieser Zeit baute, weckten das Interesse des Unternehmens. „Ich hatte die Chance vorzustellen, was es ist und was es mal sein könnte.“ Das Potenzial wurde sofort erkannt. Die Entscheidung, das Projekt weiterzuverfolgen, fiel ebenso schnell. „Dadurch ergab sich sofort die Fragestellung, wo man das Projekt ansiedelt und wie man es umsetzt“, schildert Janik Jaskolski die Anfänge von Semalytix. 2015 war die Ausgründung beschlossene Sache. „Wir hatten den ersten Auftrag mit der Gründung“, so der Informatiker. „Der Bedarf kam vom Markt. Unsere Entwicklungen auf Industrieprodukte anzuwenden, ist extrem spannend.“ 

Kommunikation ist alles

In seinem ersten Jahr konzentrierte sich das Start-up ausschließlich auf sein erstes Projekt. Vor zwei Jahren begann dann die Wachstumsphase. Kunden gewinnt das junge Start-up hauptsächlich über Mund-zu-Mund-Propaganda. Bis jetzt realisierte das junge Unternehmen allein 25 Innovationsprojekte. „Mittlerweile vermisse ich das Programmieren“, stellt der gebürtige Neusser fest, der schon lange nicht mehr nur hinterm Rechner sitzt. Kundengespräche und Verträge sind für ihn längst Alltag. Heute beschäftigt das Start-up 60 MitarbeiterInnen, zwei Drittel der 30 Vollzeitkräfte sind Informatiker. Darüber hinaus arbeiten 15 Teilzeitkräfte, Studierende und Doktoranden für das Start-up. Dabei gilt für Janik Jaskolski vor allem eins: „Kommunikation ist alles, wenn die Integration neuer MitarbeiterInnen gut gelingen soll.“ Das Start-up setzt deshalb rigoros auf agiles Projektmanagement nach Scrum. Täglich gibt’s ein 15-minütiges Meeting. Zeit, um die Arbeit, Risiken oder Probleme zu besprechen. Ein zweites Meeting findet mit der Führungscrew – den Scrum of Scrums – statt. „Das hat den Effekt, das Neue im Team nicht nur einen Mentor oder neue eine Kontaktperson haben“, so Janik Jaskolski. Und um das Thema Teambuilding in der Alten Bogefabrik mit Leben zu füllen, gibt’s mittwochs immer ein gemeinsames Frühstück. „Wir verfolgen die sogenannte ‚Happiness Metric‘, nach der nur glückliche MitarbeiterInnen auch gute MitarbeiterInnen sind“, betont er. „So, wie unser Arbeitsgebiet immer an den aktuellsten Entwicklungen orientiert ist, wollen wir auch in Sachen Arbeits-Lebens-Gestaltung Vorreiter sein. Wir wollen anders arbeiten als konservative Unternehmen.“ 

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