19. September 2023
An Circular Economy führt kein Weg vorbei

Das Geschäftsmodell der Zukunft

Do it, Go Green, Recycling, Sustainability Concept

Circular Economy DKAB Green Stories

Mit dem Europäischen Green Deal wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral werden. „Das bedeutet die Umgestaltung der EU-Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft“, so Dr. Jens Giegerich, beim Wuppertaler Direktvertriebsunternehmen Vorwerk verantwortlich für die Themen produktbezogener Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Normung und Gesetzgebung. Das Ziel der EU, als erster Kontinent, die Klimaneutralität erreichen zu wollen. „Es werden neue Geschäftsfelder entstehen und neue Geschäftsmodelle und Produkte, die dem Klimaschutz dienen und zugleich wirtschaftlich sind“, davon ist nicht nur der promovierte Chemiker überzeugt. 

Seit etwa 50 Jahren steigt die Ressourcennutzung aufgrund des starken Bevölkerungswachstums und des zunehmenden globalen Wohlstands. Bis voraussichtlich 2048 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, was zu steigenden Bedürfnissen und mehr Ressourcenverbrauch führt. Dies hat auch eine Zunahme von Abfällen zur Folge, bereits 2018 landeten 50 Millionen Tonnen Elektroschrott auf Deponien und wertvolle Rohstoffe wurden aus dem Kreislauf entfernt. Angesichts dieser Herausforderungen ist ein rasches Umdenken dringend erforderlich.

Dazu braucht es nicht „nur“ Gesetze, sondern Normen, auf die man sich zumindest europaweit, idealerweise weltweit, verständigt. Das ist ein Aufgabenfeld von Jens Giegerich, der bei Vorwerk im Bereich Technical Regulatory Affairs tätig und in nationalen, europäischen und internationalen Normungsgremien aktiv ist. Im Rahmen der Normung hat er national den Vorsitz von Arbeitsgruppen zum Thema Performance sowie Materialeffizienz, Circular Economy und Sicherheit bei der „Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE DKE“ (DKE) und beim „Deutschen Institut für Normung“ (DIN). 

Dr. Jens Giegerich

Auf dem Weg zur Circular Economy gilt es, die Materialflüsse zu verringern, Produkte langlebiger und in einer Weise zu gestalten, dass einzelne Materialkomponenten entnommen und – auch für andere Produktgruppen – wiederverwendet werden können. Wenn Ressourcen eingesetzt werden, dann sollten es möglichst recycelte sein. Langlebigkeit impliziert die Reparatur- sowie die Upgradefähigkeit. „Ein gutes Beispiel ist das Fairphone“, sagt Jens Giegerich. „Der Speicher lässt sich erweitern und wenn es eine bessere Kamera gibt, kann dieses Modul ganz einfach ausgetauscht werden.“ Insgesamt sollte ein Fokus auf stofflichem Recycling liegen. Die Idee, Energie durch Recovery zurückzugewinnen, indem man zum Beispiel Materialien verbrennt, um Wärme zu erzeugen, sollte nicht oberste Priorität haben.

Durch den Gesetzgeber vorangetrieben

Auf EU-Ebene wird gerade die neue Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) als Rahmenverordnung im EU-Binnenmarkt beschlossen. Sie zielt u. a. auf umweltgerechte Produktgestaltung ab und stellt eine umfassende Überarbeitung der bisherigen Ökodesign-Richtlinie dar. Dadurch sollen Haltbarkeit bzw. Langlebigkeit, Reparatur- und Recyclingfähigkeit, Nachrüstbarkeit, Energie- und Ressourceneffizient reguliert werden. 

Durch den Digitalen Produktpass, der künftig Produktinformationen bündelt und über den gesamten Lebenszyklus transparent und abrufbar macht, erhalten die Konsument*innen mehr Transparenz. 

Wir machen mit unserer Software das Mieten von Produkten über E-Commerce genau so einfach wie das Kaufen.

„Während Gesetze eingehalten werden müssen, legen Normen bzw. Normungen grundlegende Mess- bzw. Bewertungsmethoden fest, beispielsweise zu der Sicherheit eines Produkts“, erklärt Jens Giegerich. „Durch Normung wird Vergleichbarkeit hergestellt. Und wenn ich etwas messen kann, dann kann ich es auch verbessern“, schildert er die Bedeutung von allgemein akzeptierten Normen. Verschiedene Arbeitsgruppen erarbeiten Grundlagen der Terminologie, damit EU-weit ein gleiches Verständnis vorhanden ist, was unter recyclebar verstanden wird. Andere Arbeitsgruppen bearbeiten die Themen Langlebigkeit, Repair & Reuse & Upgrade, Wiederaufbereitung und vieles mehr. Eine Normung auf internationaler Ebene hält Jens Giegerich für unabdingbar. „Wir brauchen ein weltweites Verständnis dafür, was Circular Economy ist, weil die Lieferketten nicht an den europäischen Grenzen enden.“ 

Von der Theorie in die Praxis bei Vorwerk

Seit 2016 ist Jens Giegerich für Vorwerk tätig. Das Familienunternehmen ist weltweit führend im Direktvertrieb hochwertiger Haushaltsgeräte und bekannt für seine Kobold-Staubsauger und den Thermomix®. „Circular Economy ist für uns kein Sprint, sondern ein Marathon. Wir versuchen, Zirkularität Stück für Stück umzusetzen“, sagt er und nennt ein paar Best Practices. So bestehen heute die Griffe bei bestimmten Staubsauger-Modellen aus rezyklierter Kohlefaser. Durch die Umstellung auf Kartonage und die Reduzierung der Foliendicke bei den Verpackungen konnte Vorwerk nicht nur tonnenweise Abfall einsparen, sondern auch Geld. Und zur Langlebigkeit der Produkte gibt Jens Giegerich ein griffiges Beispiel: „1983 stellten wir die Produktion unseres Staubsaugers Kobold VK118 ein und im Jahr 2021 wurden noch 300.000 Filterbeutel nachgefragt.“

Neue Geschäftsmodelle sind erforderlich

Auf dem Weg zur grünen Transformation sind neue Geschäftsmodelle gefragt. Ein innovatives Modell wurde bereits vom Bielefelder Startup circuly erfolgreich im Markt platziert. circuly hat ein Betriebssystem entwickelt, um Produkte per Abo-System möglichst lange im Kreislauf zu halten. Mieten statt kaufen – dieser Trend setzt sich allmählich in den Köpfen der Menschen fest. Sophia Heinig, Chief of Staff, stellt dazu drei Beispiele vor, wie sich gesellschaftlicher Konsum verändern lässt. Produkte, die nur eine begrenzte Zeit genutzt werden, wie zum Beispiel ein Kinderwagen, bieten sich für ein Miet-Modell geradezu an. „Es ist ein Abo, das mitwächst“, unterstreicht sie die Flexibilität. Außerdem habe dieses Modell auch einen gewissen Einfluss auf die Hersteller. Denn Anbieter von Miet-Modellen entscheiden sich für qualitativ hochwertige und vor allem langlebige Produkte. Die Anbindung verschiedenster Partner, wie dem Refurbish- oder dem Logistik-Unternehmen, ermöglicht ein Komplettpaket für abo-basierte Geschäftsmodelle.

Sophia Heinig

„Wir machen mit unserer Software das Mieten von Produkten über E-Commerce genau so einfach wie das Kaufen“, betont Sophia Heinig. Nur mit wenigen Klicks vom Sofa aus. Nutzen, statt besitzen – das ist das Credo. Und das funktioniert mit einem Bike-Abo auch in puncto Mobilität, wenn man beispielsweise nur ab und an ein Lastenrad benötigt oder in Städten klimafreundlich unterwegs sein möchte. Der Ansatz ist ganz einfach: Man wählt, was man braucht und wann man es braucht.
Als drittes Beispiel nennt sie Defibrillatoren, die im Ernstfall Leben retten können. In öffentlichen Räumen oder in größeren Unternehmen ist es keine gesetzliche Verpflichtung, Defibrillatoren bereitzustellen. Aber ist ein Gerät vorhanden, ist alle zwei Jahre eine Wartung verpflichtend. Durch ein Abo-Modell kann der Bereitstellende immer sicher sein, ein turnusgemäß gewartetes und funktionierendes Gerät im Einsatz zu haben.
„Wir haben keine Zeit mehr“, sagt Sophia Heinig mit Blick auf die immer sichtbarer werdenden Auswirkungen des Klimawandels und die Prognosen der Wissenschaft. Entsprechend gut skalierbar ist die circuly-Software konzipiert – ein neues Geschäftsmodell lässt sich somit binnen drei bis sechs Monate umsetzen. 

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