21. Februar 2022
Virtuelles Partnertreffen

Inside Innovation

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DKAB

„Eine Idee ist noch keine Innovation“, macht Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Ingo Ballschmieter von der FHM gleich zu Beginn des ersten virtuellen Partnertreffens im Jahr 2022 deutlich. Das Thema „Innovation“ treibt alle Unternehmen um. Entsprechend groß war das Interesse der Teilnehmenden. Die komplexe Thematik wurde nicht „nur“ aus Perspektive der Wissenschaft beleuchtet, sondern zudem ganz pragmatisch: Drei Partner aus dem großen DKAB-Netzwerk stellten Innovationen – und vor allem den Weg dahin – vor: Lena Kuhlmann, Produktmanagerin Fenstersysteme bei Schüco International, Christian Gieselmann, Geschäftsführender Gesellschafter insensiv GmbH und Marion Schopen, Geschäftsführende Gesellschafterin des ime (Institut für Management-Entwicklung).

Zuerst hatte die Wissenschaft das Wort: „Laut wissenschaftlicher Definition ist eine Innovation eine Idee, die zu einer Neuerung in Unternehmen führt und deren Nutzung akzeptiert wird“, so Prof. Dr. Ingo Ballschmieter. Das beträfe u. a. Produkte, Prozesse und ganze Geschäftsmodelle. Der Dekan des Fachbereichs Wirtschaft, der auch wissenschaftlicher Leiter des Pilotprojekts „Open Innovation City“ ist, zeigt anhand einer Studie die Relevanz von Innovation für den Mittelstand. Laut KfW-Mittelstandspanel haben Innovationen einen positiven Einfluss auf den Umsatz von Unternehmen – diese sind somit erfolgreicher. Innovationen schaffen Arbeitsplätze – insbesondere für höher Qualifizierte. „Und Talente erwarten heute ein innovatives Umfeld“, betont Prof. Dr. Ingo Ballschmieter. Innovationen erhöhen aber nicht nur die Strahlkraft des eigenen Unternehmens, sondern tun dem Standort insgesamt gut.

Das Land NRW hat sich für die Jahre 2021 bis 2027 eine regionale Innovationsstrategie auf die Fahne geschrieben. Die Vision ist es, vom Innovator zum Innovationsführer zu werden. Prof. Dr. Ingo Ballschmieter spricht in diesem Zusammenhang von „Sprunginnovation“. Hierbei geht es bewusst um eine grundsätzliche Erneuerung und nicht darum, lediglich immer weiter zu optimieren. Dazu müsse der kreative und der Innovationsprozess als Kultur in der Breite fest im Unternehmen verankert werden. „Die Kultur in Unternehmen muss sich radikal weiterentwickeln“, betont der Wirtschaftswissenschaftler. Jedes Unternehmen sollte sich ein eigenes Innovationsökosystem aufbauen und „Ökosystemspieler“ werden. Open Innovation wäre beispielsweise ein Lösungsansatz. Das bedeutet die Offenheit für Entwicklung und Vernetzung. Und das nicht nur unternehmens- oder branchenintern, sondern unter Einbeziehung von anderen Playern, wie Hochschulen, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Innovation ist als fortlaufender Prozess zu betrachten, der nie abgeschlossen ist. Das konnten die Teilnehmenden aus der Praxis nur bestätigen.

Einblicke in die Praxis

Lena Kuhlmann, Produktmanagerin bei der Schüco International KG, berichtet, wie der Systemanbieter in Sachen Fenster, Türen und Fassaden das Thema Innovation angeht. „Bei uns geht es immer um das Produkt“, so Lena Kuhlmann. Deshalb sind die Abteilungen für Innovation und Produktentwicklung eng miteinander verknüpft. Zum Innovationsmanagement à la Schüco gehört das Erkennen von Trends – und zwar schon sehr frühzeitig – nicht selten fünf Jahre im Voraus.
Schüco setzt auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Einbeziehung der Partner. Dazu gehören u. a. Metallbauer und Architekten. „Die Baubranche ist nach wie vor sehr konservativ und die Akzeptanzschwelle für Neues zuweilen recht hoch“, weiß die Produktmanagerin. „Um Markteinführungsphasen zu verkürzen, holen wir das Marketing und den Vertrieb von Anfang an mit ins Boot.“
Ein konkretes Beispiel hat Lena Kuhlmann auch parat: eine große Terrassentür, die gänzlich ohne störende Schwellenhöhe auskommt. „Wir haben den demographischen Wandel im Blick. Baurechtlich darf die Schwellenhöhe zwar bis zu 20 mm betragen, aber für Senior*innen mit Rollatoren oder für Kinder stellt dies eine Hürde dar.“ So kommt die Innovation mit 0 mm Schwellenhöhe und einer leichten Bedienung aus.  „Die Architekten sind begeistert“, freut sich die Produktmanagerin über die Innovation.
Das Marketing hat ebenfalls Innovatives auf die Beine gestellt. „Bauprodukte müssen heutzutage erlebbar sein – anfassen und ausprobieren. In der Pandemiezeit stellte sich die Frage, wie wir ohne Messen und Ausstellungen unsere Produkte zeigen. Deshalb haben wir die digitale Plattform ‘Schüco Innovation Now’ geschaffen und stellen dort persönlich zugeschnittene Kurzvideos und Informationen für unsere Zielgruppen zur Verfügung.“

Kreative Ideen in geordnete Bahnen lenken, das betrachtet auch Christian Gieselmann, geschäftsführender Gesellschafter der insensiv GmbH, als eine seiner wichtigsten Aufgaben. Mit seinen Produkten ist sicherlich schon jeder einmal in Berührung gekommen. Spätestens wenn man beim Einkaufen die Pfandflaschen zurückgibt. Denn die Erkennungseinheiten vieler Rücknahmeautomaten für Getränkeflaschen, Dosen, Coffee-To-Go-Becher, Glasflaschen und Tassen stammen aus Bielefeld. Kreative Lösungen gehören per se zum Geschäftsalltag der insensiv GmbH. Das Bielefelder Mittelstandunternehmen ist Technologie-Experte für die Bildverarbeitung und entwickelt im engen Austausch mit seiner Kundschaft Produkte und Lösungen. „Von unseren 85 Mitarbeitenden sind etwa die Hälfte in der Entwicklung tätig“, sagt Christian Gieselmann. „Um als wachsendes Unternehmen wettbewerbsfähig zu sein, haben wir eine Abteilung ,Vorentwicklung’ eingerichtet, die eng an die Entwicklungsabteilung angebunden ist. In der Vorentwicklung sitzen kreative Köpfe mit vielen Ideen, die großes Interesse an anderen Bereichen haben und auch links und rechts gucken. Diesen Freigeistern gelingt es, Sprunginnovation zu initiieren. Außerdem können wir durch die Vorentwicklung rasch prüfen, welche neuen Ideen wirklich lohnenswert sind.“ Anstrengungen, die sich auszahlen. Denn gerade hat insensiv eine weitere Innovation in puncto Pfandrücknahme vorgestellt: Bei einem neuen Automaten-Typus müssen Flaschen und Co. nicht mehr einzeln zurückgegeben werden, sondern man kann gleich einen ganzen Sack an Leergut einfüllen. Das spart Zeit beim Einkauf.

Das Thema digitale Lösungen stand bei Marion Schopen, geschäftsführende Gesellschafterin des ime, früher als gewollt auf der Agenda. Als traditionsreiches Institut für Management-Entwicklung bestand das Geschäftsmodell vor der Pandemie zu 100 Prozent aus Präsenzveranstaltungen. Corona war eine harte Zäsur für das Unternehmen mit 16 Festangestellten und rund 100 Trainer*innen. „Wir mussten neue Wege finden, ohne unsere Identität zu verlieren“, skizziert Marion Schopen den Prozess. Dazu gehörten nicht zuletzt viel Mut und Vertrauen, um die neuen virtuellen Welten zu erobern. Mit gemischten Teams und auf Augenhöhe wurde die Herausforderung angenommen. Büros wurden zu Studios mit modernster Technik, um Seminare digital durchzuführen. Entsprechend musste die Ausbildung der Trainer*innen im methodischen und didaktischen Bereich erfolgen. „Außerdem haben wir eine eigene Plattform, die ime Lernwelt, kreiert, die wir unserer Kundschaft zu Verfügung stellen“, berichtet die geschäftsführende Gesellschafterin. Mit Erfolg: Aus   100 Prozent Präsenz wurde 100 Prozent digital; heute halten sich Präsenz und digital mit 50:50 die Waage.

Die drei Beispiele aus der Praxis sorgten für reichlich Diskussionsstoff bei den Teilnehmenden des virtuellen Partnertreffens. Wie kann man im eigenen Unternehmen die kreative Unruhe am Köcheln halten und die vielen guten Ideen in geordnete Bahnen lenken, damit daraus tatsächlich Innovation entsteht? Hier hat Prof. Dr. Ingo Ballschmieter in seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter von Open Innovation City einen ganz pragmatischen Ansatz parat: das „Innovation Gym“. Das Format von Open Innovation City ist eine kostenfreie Fortbildung für alle Interessierten aus Wirtschaft, Hochschulen, Verwaltung und anderen Organisationen – jeweils für 40 Teilnehmende aus 20 Organisationen pro Gym-Runde. Hierbei werden bewusst gemischte Teams gebildet, um eine konkrete Fragestellung während eines Workshops zu bearbeiten. Bis zur Prototypisierung kommen verschiedene agile Methoden zum Einsatz. Denn die Umsetzung von Innovation in Unternehmen braucht neben der kreativen Idee Verankerung, Struktur, klare Zuständigkeiten und nicht zuletzt Vertrauen.

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