13. Oktober 2022
Auswirkungen und Anforderungen

Lieferkettengesetz ab 2023

Green Stories Umdenken und anfangen

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Mit dem Gesetz wird erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten geregelt. Wen das Lieferkettengesetz betrifft und was es für Unternehmen bedeutet, erläuterte Prof. Dr. Julia Schwarzkopf jetzt im Rahmen der GREEN INNOVATION WEEKS der WEGE.

Dr. Julia Schwarzkopf

Seit 2017 lehrt und forscht sie an der HTW Berlin zu Themen der nachhaltigen Unternehmensführung mit dem Schwerpunkt Sustainable Supply Chain Management.

Durch das LkSG wird verbindlich geregelt, welche Sorgfaltspflichten Unternehmen entlang der Lieferkette einhalten müssen. Gleichzeitig stärkt das Gesetz den Schutz der Menschenrechte weltweit und erleichtert Betroffenen die Durchsetzung ihrer Rechte. „Es ist ein vielschichtiges und herausforderndes Thema“, macht Julia Schwarzkopf deutlich und stellt zunächst den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten und Menschenrechten her. Wie eng die Menschenrechte mit unserer Arbeitswelt verknüpft sind, wird schnell klar. Arbeitsbedingungen, die Gleichbehandlung von Menschen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit sind Schlagworte, die fallen. Mit Beispielen aus aller Welt, in denen Menschenrechte massiv missachtet wurden – vom Recht auf eine intakte Umwelt, einen sicheren Arbeitsplatz, auf Bildung sowie auf gerechte und befriedigende Entlohnung – schlägt sie den Bogen zu der grundsätzlichen Frage „Globale Lieferketten – alles prima?“. Nein, lautet die Antwort mit Blick auf Szenarien wie in Bangladesch als dort 2013 eine Textilfabrik einstürzte, den Staudammbruch in Brasilien, Kinderarbeit für die Kosmetikindustrie in Indien oder die um ihren Lohn geprellten Wanderarbeiter beim Bau der „Mall of Berlin“. Allein dieser thematische Querschnitt macht deutlich, dass ein Teil der Themen auch in Deutschland und Europa und nicht nur im globalen Süden relevant ist. „Man sollte sich zunächst immer einmal bewusst machen um welche Menschenrechte es geht und ob man selbst in solchen Verhältnissen arbeiten möchte, eine Perspektive, die oft verloren geht.“, betont Julia Schwarzkopf. 

Allerdings kommen nur 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Beschäftigten bislang der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang der eigenen Lieferketten genügend nach

Dr. Julia Schwarzkopf

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (The UN Guiding Principles on Business and Human Rights) sind ein 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedetes globales Rahmenwerk zur Verhütung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Wirtschaftstätigkeiten. Sie basieren auf dem von Professor John Ruggie, damaliger UN Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte, erarbeiteten Referenzrahmen. Die 31 Leitprinzipien ruhen auf den drei Säulen „Protect, Respect and Remedy“. „Protect“ steht für die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (The UN Guiding Principles on Business and Human Rights) sind ein 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedetes globales Rahmenwerk zur Verhütung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Wirtschaftstätigkeiten. Sie basieren auf dem von Professor John Ruggie, damaliger UN Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte, erarbeiteten Referenzrahmen. Die 31 Leitprinzipien ruhen auf den drei Säulen „Protect, Respect and Remedy“. „Protect“ steht für die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte. Unter „Respect“ fällt die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschrechte und „Remedy“ wird als Pflicht sowohl des Staates als auch der Unternehmen verstanden, damit Betroffene Zugang zur Abhilfe bzw. Wiedergutmachung erhalten. Den Grundstein für das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz legte die Bundesregierung übrigens bereits 2016 mit dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Letzterer fußt auf den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und soll gemeinsam mit Unternehmen zu einer sozial gerechteren Globalisierung beitragen. „Allerdings war das Ergebnis des NAP-Monitoring, dass nur in etwa  20 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht genügend nachkommen“, so Julia Schwarzkopf. „Die freiwillige Selbstverpflichtung reichte also nicht aus, um das Ziel von 50 Prozent zu erreichen, entsprechend  kommt jetzt das Gesetz.“ Es gilt ab dem 1.1.2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 2024 auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Zu den geschützten Rechtspositionen zählen wiederum Kinder- und Zwangsarbeit, Arbeitsschutz, Diskriminierungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Recht auf eine intakte Umwelt. „Die Umsetzungshilfen des Bundesamts für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) sollen jetzt nach und nach veröffentlicht werden“, erklärt Julia Schwarzkopf. Die Umsetzung und Einhaltung des LkSG wird durch die  BAFA übernommen. Bei Nichterfüllung müssen die Unternehmen  mit Konsequenzen rechnen, unter anderem in Form von empfindlichen Bußgeldern.

Zu den zu erfüllenden Sorgfaltspflichten zählen u.a. die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung, die Einrichtung eines Risikomanagements und die regelmäßige wie anlassbezogene Durchführung von Risikoanalysen. Darüber hinaus gilt es Präventionsmaßnahmen im Unternehmen zu verankern. „Stellt ein Unternehmen Rechtsverstöße fest, muss es auch Abhilfemaßnahmen einleiten. „Doch um diese Verstöße überhaupt feststellen zu können, braucht es natürlich auch ein definiertes und wirksames Beschwerdeverfahren“, so Julia Schwarzkopf. Dies ist nach Meinung der Expertin vermutlich der Aspekt, welcher am herausforderndsten für die Unternehmen sein könnte. Darüber hinaus gehört auch eine Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten dazu.

Wie komplex diese Aufgabenstellung für Unternehmen sein kann, verdeutlichte Julia Schwarzkopf beispielhaft anhand von Lieferketten aus der Automobilindustrie. Viele Unternehmen haben das Ziel, zunächst einmal Transparenz über ihre Lieferketten über die erste und zweite Ebene hinaus zu erlangen. „Eine solche Transparenz sorgt auch dafür, dass man unbekannte Risiken erkennt und sieht, welche Chancen im Bereich Nachhaltigkeit liegen“, resümiert sie. „Denn unsere aktuelle Krise zeigt, dass man mit Nachhaltigkeit auch andere Themen adressieren kann.“ Dazu gehört auch die Risikominimierung in den Bereichen Beschaffungs-, Absatz- und Finanzmarkt und Reputation. In Gänze führen diese Maßnahmen zu einer Reduktion von Lieferkettenstörungen und erlauben es Unternehmen, sich frühzeitig auf Regulierungen vorzubereiten. Gleichzeitig dienen sie dazu, die steigenden Erwartungen von Stakeholdern zu erfüllen, schützen und verbessern die eigene Reputation und wirken sich sowohl auf die Wettbewerbsfähigkeit als auch auf die wirtschaftliche Performance positiv aus.

Einen Aspekt des Sustainable Supply Chain Managements, die frühzeitige Vorbereitung auf Regulierungen, greift Julia Schwarzkopf schließlich exemplarisch heraus. Mit der Verabschiedung einer Grundsatzerklärung, beispielsweise über einen Code of Conduct der auch für Lieferanten gilt, verleihen Unternehmen ihrer Verpflichtung Ausdruck. Sie ist ein wichtiger Bestandteil bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt. Die regelmäßige und anlassbezogene Durchführung von Risikoanalysen – von Self Assessments und Issue Screening über Risikokategorien bis hin zum Risikomanagement – hilft dagegen bei der Bewertung. „Für Self Assessments gibt es auch vorgefertigte Fragebögen“, so der Tipp von Julia Schwarzkopf. „Bei besonders relevanten Lieferanten empfiehlt sich auch ein Issue Screening.“ Die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens mit internem/ externen Audit, Zertifikat und Beschwerdemechanismus dienen schließlich der Kontrolle. Maßnahmen wie ein Corrective Action Plan, Trainings oder Capacity Building erleichtern dagegen das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen. „Von Grundsatz her sollte das Interesse bestehen Lieferantenbeziehungen aufrecht zu erhalten. Hier muss man Lieferanten gelegentlich an die Hand nehmen und sie dabei unterstützen, die entsprechenden Anforderungen einzuhalten. Dies erfordert Zeit und eben auch personelle Ressourcen. Hilfreich ist auch, bereits im Vorfeld Präventionsmaßnahmen zu entwickeln“, betont Julia Schwarzkopf. Die Referentin betont, dass sich auch Unternehmen die nicht direkt vom LkSG betroffen sind über dieses informieren sollten, da unter Umständen die jeweiligen Kunden mit Anfragen auf die Unternehmen zukommen können – idealerweise sind die Unternehmen darauf vorbereitet und auch entsprechend aufgestellt. Dabei sollte man berücksichtigen, dass ein gewisser zeitlicher Vorlauf notwendig ist.

Die Berichts- und Dokumentationspflicht sorgt für mehr Transparenz auf allen Stufen. Zum einen kennen Unternehmen durch die Umsetzung des Lieferkettengesetzes die Akteure der Lieferkette über die 1st-tier Ebene hinaus, verfügen über Informationen zur Nachhaltigkeitsperformance auf den entsprechenden Stufen der Wertschöpfungskette und der Akteure und können zudem auf eine Beweismittelkette (Chain of Custody) zurückgreifen. Auf diese Weise trägt die Dokumentations- und Berichtspflicht Risiken identifizieren, Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten einzuleiten, die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten und für zukünftige Maßnahmen Schlussfolgerungen zu ziehen. „Auch die jährliche Veröffentlichung des Berichts, die Übermittlung an das BAFA und die unternehmensinterne Dokumentation und Aufbewahrung für sieben Jahre runden das Lieferkettengesetz ab“, erläutert Julia Schwarzkopf, die den Unternehmen für die Umsetzung des LkSG eine kostenfreie Beratung beispielsweise durch die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung oder den Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte empfiehlt sowie auf die Umsetzungshilfen des BAFA und auf die Handlungsanweisungen z.B. des Branchendialogs der Automobilindustrie verweist. Aber auch Unternehmenszuammenschlüsse wie UPJ oder das Deutsche Global Compact Netzwerk bieten Unternehmen Unterstützung an, um nur einige zu nennen. Sich mit dem LkSG jetzt intensiv zu beschäftigen und an die Umsetzung zu gehen, ist aus Sicht der Wissenschaftlerin dringend notwendig. „Es wird künftig auf EU-Ebene eine Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht geben, diese Aussage ist bereits da. Und die Standards werden perspektivisch vermutlich über die des deutschen Lieferkettengesetzes hinausgehen“, erklärt Julia Schwarzkopf. Den Vorteil einer EU-Richtlinie bringt sie abschließend mit einem Satz auf den Punkt: „Dadurch gibt es innerhalb der EU künftig keine Fragmentierung mehr, das ist für alle in einer globalen Wirtschaft wichtig.“ 

Foto: iStock

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