1. März 2022
Ein Gespräch mit Roland Hofstetter und Jörn Euscher-Klingenhagen

Nachhaltig Wirtschaften – wie kann’s gehen?

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Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt Unternehmen aller Branchen. Dabei stehen die Verantwortlichen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Das DKAB-Team hat mit Roland Hofstetter, Geschäftsführer der Diamant Software GmbH, und Jörn Euscher-Klingenhagen, Geschäftsführer der Euscher GmbH & Co. KG, gesprochen. Diamant ist spezialisiert auf die Softwareentwicklung für das Rechnungswesen. Euscher gehört zu den führenden europäischen Herstellern von Präzisionstiefziehteilen. Da mag man meinen, dass zwischen Produktion und IT-Dienstleistung Welten liegen. Oder gibt es doch viele Gemeinsamkeiten? Lesen Sie selbst.

Welche Rolle spielt nachhaltiges und klimaneutrales Wirtschaften für Sie persönlich und im Unternehmen?

Roland Hofstetter: Für uns bei Diamant Software ist Nachhaltigkeit ein breit angelegtes Thema. Wir betrachten nicht „nur“ die Ökologie, sondern auch Gesellschaft und Wirtschaft. Wir übernehmen über unsere Stiftung und direkt mit Projekten unserer Mitarbeitenden Verantwortung für die Gesellschaft. Das ist schon durch unseren Frimengründer Peter Semmerling in unseren Genen verankert. Nachhaltigkeit ist kein einmaliges Maßnahmenpaket, sondern eine grundsätzliche Haltung.  

Jörn Euscher-Klingenhagen: Unsere Werte bei Euscher sind identisch. Wir sind uns unserer unternehmerischen Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden, unseren Kunden, der Umwelt und den nachfolgenden Generationen bewusst. Nachhaltiges Wirtschaften erreichen wir durch unser umfassendes Umweltmanagementsystem, das von unserem Umweltmanagementbeauftragten und dem Umweltmanagement-Team umgesetzt wird. Als produzierendes Gewerbe bemühen wir uns darum, dass Materialien so lange wie möglich im Produktionskreislauf bleiben. Unser Bestreben ist es, den Kreislauf zu intensivieren, zum Beispiel mit nachhaltigem Material aus Aluminium, welches wir für Produkte im Bereich Automotive und Kosmetik einsetzen.

Was waren erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit?

Roland Hofstetter: Wir haben uns schon früh auf den Weg gemacht. Als wir noch in einem Mietgebäude gearbeitet haben, mussten wir viele Parameter so hinnehmen. Das änderte sich aber fundamental, als wir unseren Neubau nachhaltig ausrichten konnten. Den Energieverbrauch haben wir mit Maßnahmen wie der Installation von Photovoltaikanlagen auf dem Dach zur Stromerzeugung, Geothermie, Nutzung der Abwärme aus unserem Rechenzentrum, dem Einsatz einer Wärmepumpe oder auch durch Gebäudeautomatisierung – unser LED-Lichtsystem wird beispielsweise smart gesteuert – bewusst so gering wie möglich gehalten. Außerdem versuchen wir, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. Auch in unserem 2021 fertiggestellten Anbau des Firmengebäudes haben diese Komponenten Einzug gehalten.  

Jörn Euscher-Klingenhagen: Wir haben zum Beispiel in eine Anlage investiert, um Aluminiumabfälle aus unseren Produktionsprozessen zu komprimieren und so besser dem Recycling Prozess zuführen zu können. Hierbei werden die Abfälle so komprimiert, dass der Großteil des Öls herausgepresst wird. Ein Teil der herausgepressten Ziehöle kann dann wieder wiederverwendet werden. Außerdem haben wir neue Kompressoren implementiert, die weniger Energie verbrauchen. Insgesamt produzieren wir mit weniger Energie als noch vor einigen Jahren. Einen großen Teil unserer Beleuchtung haben wir auf LED umgestellt. Wir nutzen die Wärme, die unsere Maschinen abgeben und durch unsere in der Produktion installierte Entlüftungsanlage haben wir deutlich sauberere Luft. Wir haben uns bewusst gegen eine Klimaanlage entschieden, weil bedingt durch die Abläufe in der Produktion häufig Tore offenstehen.

Seit 2020 ist Diamant Software klimaneutral. Welche Maßnahmen waren dafür notwendig?

Roland Hofstetter: Wir sind das Thema Klimaneutralität konsequent angegangen und haben für das Jahr 2019 unseren CO2-Fußabdruck ermittelt. Dazu haben wir unsere in- und externen Rechenzentren sowie das KI-Kompetenzzentrum in Darmstadt einbezogen. Die Verbräuche haben wir für 2019 ermittelt – denn 2020/21 haben wir weitgehend im Homeoffice verbracht. Maßstab für die Berechnungen ist das „Greenhouse Gas Protocol“. Berücksichtigt sind sowohl direkte Quellen nach Scope 1 als auch indirekte, vorgelagerte Aktivitäten nach Scope 2 und 3. Insgesamt emittiert Diamant Software 619 Tonnen CO2. Bei 215 Mitarbeitenden (2019) sind das pro Mitarbeiter*in 2,87 t CO2. Im Vergleich zu anderen Unternehmen unsere Größe und Branche liegen diese Werte im niedrigen Bereich. Uns war von Anfang an klar, dass die Kompensation von Rest-Emissionen nur ein erster Schritt sein kann. Auf dem Level wollten wir nicht bleiben, weil wir das als Greenwashing betrachten. Nachhaltiges Wirtschaften kann nur die Reduktion von Emissionen bedeuten.

Wie sieht das bei Ihnen aus, Herr Euscher-Klingenhagen?

Jörn Euscher-Klingenhagen: Bis zum Erreichen der Klimaneutralität sind für uns als produzierendes Gewerbe noch einige Schritte nötig. Es sind viele verschiedene Bausteine, die wir momentan angehen. Wir haben auf Ökostrom umgestellt. Ein Hebel, an dem wir gut ansetzen können, sind Hilfs- und Betriebsstoffe, zum Beispiel die Ziehöle, die wir für die Produktion unserer Teile benötigen. Hier sind wir in dem Prozess gemeinsam mit unseren Lieferanten auf nachhaltige Produkte umzustellen, die besser recyclebar und energieeffizienter sind. Abseits der Zertifikate werden wir demnächst einen Workshop durchführen, um zu definieren, was wir im gesamten Euscher-Team tun können. Was wir unseren Mitarbeitenden bereits jetzt anbieten, sind Job-Ticket und sind in der Erarbeitung und Umsetzung weiterer Projekte. 

Was steht noch auf Ihrer Agenda, um künftig nachhaltiger zu wirtschaften?

Roland Hofstetter: Als größte Emissionstreiber haben wir den Kraftstoffverbrauch der Firmenwagen im Unternehmen, die Arbeitswege der Mitarbeiter*innen, den Stromverbrauch der Gebäude und Rechenzentren sowie die Hardware ausgemacht. An diesen Punkten haben wir angesetzt und erste Reduktionsmaßnahmen abgeleitet. Durch die Umstellung auf Ökostrom/-gas sparen wir 12,5 Prozent unseres CO2 -Verbrauchs ein. Auch wir bieten unseren Mitarbeiter*innen ein „Jobrad“ sowie ein vergünstigte ÖPNV-Jobticket an, um den Arbeitsweg klimafreundlicher zu gestalten. Abgeschriebene Hardware spenden wir über unsere Stiftung an gemeinnützige Institutionen und verlängern so die Lebensdauer der Geräte. Außerdem arbeiten wir an unserer Car Policy und beschäftigen uns mit E-Mobilität. Die Förderung der Hybrid-Technologie mittels Steuervorteilen durch die Bundesregierung geht meines Erachtens in die falsche Richtung. Hybrid-Fahrzeuge weisen mehr Gewicht auf und stellen keine gute Alternative dar. Darüber hinaus machen wir uns Gedanken darüber, wie die Software, die wir entwickeln, möglichst wenig Energie verbraucht. Und das wird auch unsere Kunden entlasten.

Jörn Euscher-Klingenhagen: Die hoch gelobte E-Mobilität sehe ich kritisch. Sie hat sicherlich im urbanen Bereich ihre absolute Berechtigung, jedoch nicht bezogen auf alle Anwendungsbereiche. Es wird aus meiner Sicht nicht möglich und auch nicht sinnvoll sein, alles auf E-Mobilität umzustellen. Zudem wird es kaum möglich sein, bei der derzeitigen Energiepolitik die Bedarfe an Strom zu decken. Fraglos müssen wir aber die Mobilität nachhaltig verändern. Hierzu müssen alle Formen der Energie, seien es Brennstoffzellen, Wasserstofftechnologie, aber auch saubere und sehr verbrauchsarme Verbrenner in Betracht gezogen werden. Bestenfalls wird es ein Mix aus mehreren Antriebsarten sein. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wenn wir hier die älteren Verbrenner aus dem Verkehr ziehen, genau diese Fahrzeuge in andere Länder verkauft und dort weiter genutzt werden. Sie verschwinden nicht von unserem Planeten. Wir müssen unsere Energiebedarfe reduzieren. Unser Planet wird immer trockener und Wetterveränderungen wie Stürme erleben wir nun auch direkt hier in unseren Regionen. 

Stichwort Rest-Emissionen und Kompensationen. Welche Projekte unterstützen Sie?

Jörn Euscher-Klingenhagen: Wir unterstützen ein Wasserkraftwerk in Brasilien und eine Windkraftanlage in Mexiko. Hier direkt vor Ort an einem unserer beiden Standorte in Bielefeld möchten wir mit einer Blumenwiese einen kleinen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Einer unserer Mitarbeitenden ist Hobby-Imker und wird sich dort um zwei Bienenstöcke kümmern. Dann gibt es bald den Euscher-Honig.

Roland Hofstetter: Darüber, was man machen sollte, wird bei uns viel diskutiert. Wo ist der gesellschaftliche, soziale und ökologische Nutzen am größten? Ist es sinnvoll, die Waldaufforstung in Brasilien zu unterstützen, wenn dort gleichzeitig jeden Tag durch Brandrodung enorme Flächen an anderer Stelle zerstört werden? Das ist keine einfache Frage. Wir haben uns für ein Projekt in Honduras entschieden. Dort werden auf dem Land Nahrungsmittel oftmals noch auf offenem Feuer in kleinen Hütten zubereitet. Das Projekt stellt verbesserte Kochherde für Menschen mit geringerem Einkommen zur Verfügung. So werden den Problemen der Abholzung und der Luftverschmutzung in Innenräumen vorgebeugt. Außerdem unterstützen wir ein Projekt in Namibia, das sich dem Bau und Betrieb eines 10-MW-Windkraftwerks widmet. Hier in der Region liegt uns der Teutoburger Wald natürlich am Herzen. Deshalb haben wir die „Wellbeing Week 2021“ ins Leben gerufen. Für jeden Kilometer Laufen, Radfahren, Spazierengehen und Schwimmen unserer Mitarbeitenden gab es einen Baum. 1.555 Kilometer und ebenso viele Bäume sind es geworden, die im Rahmen des Aufforstungsprojekts jetzt den „Diamantwald“ bilden. 

Gibt es Impulse von außen, die Sie als Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit anspornen?

Roland Hofstetter: Das sind ganz klar unsere Mitarbeitenden, die viele gute Ideen einbringen. Das Thema ist zwar bei uns in der Geschäftsführung aufgehängt, aber Treiber sind viele engagierte Mitarbeitende. Momentan testen wir bei uns an einer Kaffeestation den Einsatz von Hafermilch. Auch wenn bei uns das Bistro in die Energiebilanz mit einbezogen wird, verursacht das in Summe geringere Emissionen als vielleicht anderswo, weil wir frisch kochen, auf regionale Produkte achten und zunehmend fleischlose Gerichte anbieten. 

Jörn Euscher-Klingenhagen: Auch bei uns haben die Mitarbeitenden sehr viele kreative Ideen, was man bei den Arbeitsprozessen, aber auch im Unternehmen selbst ändern kann. In diese Prozesse werden wir in den kommenden Wochen und Monaten unsere Mitarbeiter noch intensiver mit einbinden. Außerdem stellen wir eine Veränderung der Prioritäten bei unseren Kunden fest. Vor einigen Jahren waren Preis, Qualität und Nachhaltigkeit in dieser Reihenfolge entscheidend. Das hat sich gedreht: Jetzt steht Nachhaltigkeit an erster Stelle, dicht gefolgt vom Preis. Das zeigt, wie wichtig den Endverbrauchern das Thema Nachhaltigkeit ist. Denn das sind letztlich die Kunden unserer Kunden.  

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