1. März 2023
Stadichair + stadiseat – Aus dem Stadion, ins Stadion

Voll im Kreislauf

Circular Economy Green Stories

Hinsetzen! Hinsetzen! Jeder Fußball-Fan kennt diesen Auftakt zu der Rudel-Humba, die nach außergewöhnlichen Erfolgen im Stadion getanzt wird. Aber wer macht sich eigentlich Gedanken darüber, wie nachhaltig die Sitzschalen sind, auf der Dauerkarten-Inhaber*innen und andere Fans Platz nehmen? Das Bielefelder Startup stadiseat hat dazu eine kreislauffähige Idee entwickelt, die Fußballvereine auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit bestens unterstützt.

Keine Frage, eine Sitzschale macht in ihrem Stadionleben eine Menge mit. Sie muss die Emotionen der Fans tragen und ist Regen und Sonne ausgesetzt. „Eigentlich müssten Sitzschalen alle zehn Jahre ausgewechselt werden“, berichtet Jonas Braamt, Gründer und Geschäftsführer der stadichair GmbH + Co. KG. „In der Praxis sind es jedoch meist zwanzig bis dreißig Jahre und oft wird ein Austausch nur auf Drängen der Behörden vollzogen. Eine Investition in die Stadioninfrastruktur steht bei vielen Vereinen nicht besonders weit oben auf der Agenda, weil das zunächst keine Einnahmen generiert.“
Hier kommt stadiseat ins Spiel. Beschädigte und stark gebrauchte Sitzschalen werden abmontiert, zu Granulat gemahlen und bilden das Grundmaterial für neue Sitze. Alle Farben können aus 100% Rezyklat hergestellt werden. Interessant für Vereine ist die Refinanzierbarkeit eines Austausches, der bei 70 Prozent liegt. Das Modell unterstützt die Fußball-Clubs bei der Einhaltung interner und externer Nachhaltigkeitsziele. Mit diesem Austauschverfahren wird nicht „nur“ der CO2-Ausstoß reduziert, sondern die neuen Sitzschalen sind überaus robust und witterungsbeständig. 

Die Produktion der Stadionsitzschalen findet ausschließlich in Deutschland statt. „Außerdem haben wir uns ganz bewusst für Lieferanten aus der Region entschieden, um die Transportwege möglichst kurz zu halten. So können wir auch ganz flexibel und schnell kleinere Stückzahlen herstellen. Das Aufbringen von Sitzplatz- und Reihennummer sowie Kunststoff- und Metallteile in Wunschfarbe sind außerdem möglich“, erzählt Sina Henkefend, die eigentlich erst als Aushilfe bei stadichair angefangen hat und jetzt fester Bestandteil des engagierten Teams ist.

„Bei einem Umbau des Stadions stellt sich für die Vereine immer auch die Frage, was mit dem Müll passieren soll“, weiß Jonas Braamt. „Deshalb sind schon viele Vereine im In- und Ausland auf die Kreislauflösung von stadiseat und stadichair aufmerksam geworden.“ Gerade wird das legendäre Camp Nou – mit 99.354 Sitzplätzen bereits das größte Stadion Europas und Heimspielstätte des FC Barcelona – saniert. Nach dem Umbau soll es über 105.000 Sitzplätze verfügen. Und wer weiß, vielleicht werden künftig die spanischen Fans auf Bielefelder Sitzschalen jubeln.

Ein höchst emotionales Produkt

Jonas Braamt

Aber nicht alle Sitzschalen werden zu Granulat vermahlen. Ausgewählte Sitzschalen erhalten ein zweites Leben in den Wohnungen der Fans: als Stuhl oder Barhocker. Dieses individuelle Designstück wird von stadichair ebenfalls ganz im Sinne der Nachhaltigkeit mit viel Liebe zum Detail gefertigt.

Die Idee dazu kam dem Gründer 2018, nachdem er auf einem Arminia-Flohmarkt eine Stadionsitzschale aus der SchücoArena ergattern konnte. Die Stadionsitzschale wurde gekauft und dann kam die Frage auf: Was macht man damit? Die Antwort lag auf der Hand – sitzen! Also wurde der erste Prototyp des stadichairs gebaut. Mit tatkräftiger Unterstützung des Opas und des Vaters. Mitte 2020, nach vielen Gesprächen mit Freunden und Bekannten und der Weiterentwicklung des ersten stadichairs, entschloss sich Jonas Braamt zur Gründung von stadichair. Seither wurden bereits mehrere tausend Stühle verkauft und einige namhafte Kooperationen geschlossen, wie beispielsweise mit dem DSC Arminia Bielefeld, Carl Zeiss Jena, VfL Bochum oder dem VfL Osnabrück.

Und so geht’s: Die Stadionsitzschalen werden sortiert, gereinigt und veredelt. Wenn die Sitzschalen mit Stickern beklebt sind, haben sie einen ganz besonderen Wert und werden per Hand gereinigt. Die Stuhlkomponenten bezieht das Bielefelder Startup ausschließlich aus der Region OWL, um auch hier noch mal ein Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit und Regionalität zu setzen. Und so wandert ein ganz besonderes Stück Stadion in die eigenen vier Wände. Und wird zum begehrten Sammlerstück. „Wir hatten mal 154 Stühle mit Sitzschalen vom VfL Bochum produziert, die waren innerhalb von 45 Minuten ausverkauft. Mit einem solchen Ansturm hatten wir nicht gerechnet“, erinnert sich Sina Henkefend.

Und wer schon eine Sitzschale besitzt, dem bietet stadichair verschiedene Untergestelle mit so schönen Namen wie „Chancentod“, „Flügelflitzer“ oder „Knipser“ zur Selbstmontage an. Aber warum so viele unterschiedliche Montageplatten? „Die Sitzschalen sind total unterschiedlich. Selbst innerhalb eines Stadions sind zum Teil mehrere Modelle verbaut. Beim Karlsruher SC ist beispielsweise wichtig zu wissen, ob die Schale aus der Kurve oder von der Haupttribüne stammt, um das passende Untergestell auszuwählen.“ Mittlerweile haben sich Jonas und Sina schon ein regelrechtes Expertenwissen in Sachen Sitzschalenhistorie angeeignet und beraten die Fans dabei, welche Montageplatte passt. Und hören dabei viele schöne Geschichten. „Eine Sitzschale stammte beispielsweise aus dem Stadion der Glasgow Rangers, die einem Fan von Eintracht Frankfurt nach dem Sieg des Europapokals ganz zufällig in den Schoß gefallen ist und auch den Heimflug gut überstanden hat.“ Egal ob Pokal, Auf- oder Abstieg oder legendärer Derbysieg: Stadionsitzschalen haben viel erlebt und diese Emotionen wollen nachhaltig bewahrt werden.

www.stadichair.de

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