1. November 2023

Chancen sehen

Magazine Stories

Sie ist Unternehmerin, Podcasterin, Keynote-Speakerin und Expertin für Digitale Bildung. Ihr Herz schlägt für Startups, Gründer*innen und den Wirtschaftsstandort Deutschland – und den FC Viktoria Berlin. Verena Pausder, deren familiäre Wurzeln in Bielefeld liegen, vereint dabei unternehmerische Leidenschaft mit gesellschaftlichem Engagement. Neue Impulse für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu setzen treibt sie an. 

Was bedeutet es für Sie, offen, vielfältig und zukunftsfähig – also „open minded“ – zu leben und zu arbeiten?

Das bedeutet für mich zuerst, Chancen statt Risiken zu sehen. Nicht nur das, was schiefgehen könnte, in den Fokus zu rücken. Das gilt beruflich wie privat und spiegelt auch meine positive Grundhaltung. Auch wenn es darum geht, die Welt zu verändern. Offen zu sein, Neues interessant zu finden, das setzt Impulse frei. Ich bin eher neugierig, ganz nach dem Motto „Da möchte ich gern mehr drüber wissen“. Wenn eine Gründerin oder ein Gründer in einem Feld unterwegs ist, in dem ich nicht zuhause bin, bin ich immer sehr gespannt zu hören, welche Ideen und Pläne die- oder derjenige hat. Gleiches gilt für die Politik: Statt Ideen kleinzureden, bin ich offen für neue Ansätze und überlege, welche Vorteile diese mitbringen, statt gleich auf Konfrontation zu gehen.

Wie kann dieses Mindset helfen, Wirtschaft zukunftsfähig auszurichten?

Die Wirtschaft profitiert von zwei Dingen. Zum einen ist es die langfristige Perspektive, mit der man ein Unternehmen nachhaltig aufbaut und die Substanz erhält, statt nur kurzfristig auf Rendite ausgerichtet zu agieren. Gleichzeitig muss man offen für Neues sein, sich als Unternehmen immer wieder hinterfragen. Ich komme selbst aus einem Familienunternehmen, das seit 300 Jahren in Bielefeld Textilien produziert; da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. In Generationen denken und nachhaltig wirtschaften, aber nicht krampfhaft an Dingen festhalten, die nicht überlebensfähig sind.

Sie sind designierte Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. Was sind Ihre Ziele?

Ganz generell geht es mir darum, die Startups – das sind allein im Verband schon weit über 1.000 – öffentlich zu vertreten und ihnen Raum und Gehör zu verschaffen. Der Fachkräftemangel macht es notwendig, Prozesse einzuführen, die es ihnen beispielsweise leichter machen, Arbeitskräfte auch aus dem Ausland zu finden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Startups einen fairen Wettbewerb angesichts großer Platzhirsche zu ermöglichen. Ein Stichwort ist die Überbürokratisierung, die zwar ein generelles Problem ist, aber gerade Startups hemmt. Natürlich möchte ich auch eigene Akzente setzen. Wir feilen gerade an den Eckpunkten, die ich mit einem neuen Team, das mit mir kandidiert, Anfang Dezember auf der Versammlung vorstelle.

Wie sehen Sie die Bielefelder Startup-Szene? 

Sehr positiv! Man sieht, dass etwas passiert ist, wenn man das Bielefelder Ökosystem mit Founders Foundation, Pioneers Club und Formaten wie der Hinterland of Things Konferenz betrachtet. In Bielefeld gibt es inzwischen viele Startups. Auch die Stadt ist mit dem Bielefelder Startup-Paket ganz weit vorne, indem sie die Hälfte der Mietkosten der Startups übernimmt und ein eigenes Netzwerk aufgebaut hat. Die strategischen Anstrengungen tragen Früchte, das stelle ich immer wieder fest. Ins Hinterland zu investieren lohnt sich also, denn es ist ganz vorne mit dabei. Und das sage ich nicht nur, weil ich Bielefelderin bin. Wir sollten eine große Stärke unseres Landes nutzen, die in seiner Dezentralität liegt. Hier gibt es viele starke Zentren mit mittelständisch geprägten Unternehmen über das ganze Land verteilt. Und so ist es auch mit den Startups, die überall in Deutschland entstehen – nicht nur in Berlin. Das macht mir große Hoffnung, diese Entwicklung an vielen anderen Orten replizieren zu können. 

Was hat Sie wie auch die fünf Co-Gründerinnen motiviert, 2022 die Frauenmannschaft des FC Viktoria Berlin zu übernehmen?

Ich selbst habe mit fünf angefangen, Fußball zu spielen. Für mich war es immer ein Hobby, da mir gar nicht klar war, dass es auch eine Karriereoption sein könnte. Das wollen wir mit dem FC Viktoria ändern. Die erste Frauenmannschaft des FC Viktoria Berlins auszugründen ist ein riesengroßes unternehmerisches wie sportliches Abenteuer. Auch weil nur drei Prozent der Führungspositionen in deutschen Fußballclubs von Frauen besetzt sind. Und auch bei den Investor*innen sind Frauen unterrepräsentiert. Umso großartiger ist es, dass von unseren 180 Investor*innen 70 Prozent weiblich sind. Das ist ein schönes Gegennarrativ zu dem homogenen Duktus. Denn ein „closed shop“ generiert nicht immer die besten Lösungen. Aber es braucht auch Mut, denn es gibt keine Blaupause für uns. Wir tragen das volle unternehmerische Risiko, sowohl finanziell als auch inhaltlich. Unserem Ziel, die Mannschaft innerhalb von fünf Jahren aus der Regionalliga in die 1. Bundesliga zu führen und den Frauen-Fußball in Deutschland nachhaltig zu verändern und nach vorne zu bringen, nähern wir uns Schritt für Schritt. Wir sind top motiviert und wollen mit den Spielerinnen dieses Jahr den Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffen. 

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