30. September 2025
Wirtschaft mit Haltung

Unternehmen sollten sich ausschließlich auf das Wirtschaften konzentrieren, das denken viele. Aber: Seit einigen Jahren stehen immer mehr politisch- gesellschaftliche Themen auf der Agenda und die Bedeutung von Corporate Political Responsibility wächst. Wie Firmen und andere Organisationen damit umgehen – und umgehen sollten –, diskutieren auf Einladung von Ulrike Meier (WEGE), Dr. Bodo de Vries (Evangelisches Johanneswerk), Dr. Anne Duncker (Goldbeck), Sandra Greiser (Schüco), Francesca Seidensticker (The Trailblazers), Sally Lisa Starken (Bestseller-Autorin und Journalistin) und Prof. Dr. Andreas Zick (Universität Bielefeld).
Herr Zick, als Wissenschaftler nehmen Sie den Blick von außen ein. Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht eine Aufgabe von Unternehmen, sich für die Demokratie zu engagieren?

Zick: Die Kernaufgabe von Unternehmen ist es zu wirtschaften. Gerade in den vergangenen Jahren beobachten wir aber viele Entwicklungen wie Konflikte und Kriege, Radikalisierung, Rassismus und Populismus in der Gesellschaft – und da können und sollten Unternehmen eine viel größere Rolle einnehmen als bisher. Ich habe im vergangenen Jahr eine Rede von Reinhold Würth gehört, der sich als Gründer der Würth-Gruppe mit 87.000 Mitarbeitenden immer wieder deutlich gegen Rassismus und Populismus ausspricht. Dabei merkt man, das sich in dem Unternehmen deutlich etwas bewegt. Es ist schon sehr eindrucksvoll, was für ein Potenzial in diesem Land vorhanden ist, weil Deutschland so vielfältig geworden ist.
Warum sind Unternehmen so wichtig, um sich gegen einen Rechtsruck mit allen seinen Folgen zu stellen?
Zick: Das Lokale wird angesichts der globalen Krisen immer bedeutsamer, das sehen wir auch in den Daten, die wir erheben. Die Menschen wollen eine lokale Orientierung, und wenn sie sehen, dass es dort nicht funktioniert, öffnen sich manche für eine antidemokratische Wertorientierung. Deswegen spielen die Unternehmen eine so wichtige Rolle, weil die Menschen dort nun mal sehr viel Zeit verbringen. Unternehmen prägen die Identität der Orte und viele sind sozial engagiert.
Frau Duncker, als Leiterin der Abteilung für Corporate Social Responsibility beim Bau- und Dienstleistungsunternehmen Goldbeck wirken Sie viel nach außen. Wann fängt für Sie die politische Verantwortung von Unternehmen an – und wo hört sie vielleicht auch auf?

Duncker: Das ist keine triviale Frage. Ich bin tief davon überzeugt, dass Unternehmen dabei eine wichtige Rolle einnehmen müssen, weil wir in Teilen der Gesellschaft den Vertrauensverlust in politische Institutionen und die Erosion demokratischer Werte sehen. Wir fragen uns dann natürlich: Was können wir tun? Als Unternehmen sind wir Teil der Gesellschaft und können Politik und Demokratie nicht outsourcen. Ich erlebe ein starkes Commitment unserer Unternehmensführung und von Führungskräften, diese gesellschaftspolitische Verantwortung aktiv wahrzunehmen. Gleichzeitig gibt es aber auch Unsicherheit: Wie machen wir das konkret? Welche Werkzeuge haben wir?
Daneben gibt es die Ebene der Mitarbeitenden. Wie nehmen diese das Thema wahr?
Duncker: Die Frage stellen sich viele Unternehmen: Wie kommt eine politische Positionierung in den Teams an? Die Verantwortlichen müssen einen guten Weg finden, der authentisch ist und zum Unternehmen passt. Uns hilft, dass wir eine ganz starke wertebasierte Unternehmenskultur bei Goldbeck haben. Das schafft Orientierung und Klarheit. Die Gesellschaft jedenfalls braucht starke Unternehmen, die eine Haltung einnehmen. Und natürlich – das ist klar – diese auch intern leben, sonst ist sie nicht glaubwürdig.

Greiser: Bei uns ist es ähnlich, Schüco ist auch ein Familienunternehmen. Unsere Geschäftsleitung äußert sich öffentlich zu politischen Themen und trägt die Unternehmenswerte nach innen und außen. Mir ist darüber hinaus ein weiterer Aspekt wichtig: Wir brauchen eine demo-kratische Gesellschaft, die für alle Menschen zum Beispiel den Zugang zu Bildung, ein funktionierendes Gesundheitssystem, genügend Wohnraum und vieles mehr ermöglicht und fördert. Um das leisten zu können, braucht es eine erfolgreiche Wirtschaft. Gleichzeitig brauchen wir eine demokratische Gesellschaft, um als Land attraktiv zu sein, auch für Menschen aus dem Ausland. Und wir müssen die Zuwanderung fördern, weil wir Fach- und Arbeitskräfte benötigen, um wiederum wirtschaftlich erfolgreich sein zu können und unseren Wohlstand hier zu erhalten.
Herr de Vries, wie stellt sich das Thema bei Ihnen dar, als großem diakonischem Träger, der vor allem in der Altenpflege tätig ist?
De Vries: Das Johanneswerk wird in den kommenden Jahrzehnten kein Kunden-, sondern ein Personalproblem haben. Bei uns arbeiten mehr als 4.500 Menschen im Bereich der Pflege und davon verlieren wir in den nächsten zehn Jahren 1.200, weil sie in den Ruhestand gehen. Das heißt, wir benötigen Pflegekräfte und die kommen oft aus dem Ausland. Schon heute arbeiten bei uns Menschen aus 95 Nationen. Ohne Migration und die dafür zugrunde liegende Toleranz werden wir als Unternehmen, aber auch als Gesellschaft nicht mehr klarkommen.
Sie müssen sich also zwangsläufig politisch engagieren?

De Vries: Ja, und das machen wir als diakonisches Unternehmen werteorientiert: Würde, Selbstbestimmung, Gemeinschaft sollen natürlich nicht nur für unsere Bewohner*innen gelten, sondern auch für unsere Mitarbeitenden. Damit können wir uns vor der politischen Frage nicht verschließen, sondern müssen uns täglich dazu verhalten.
Was heißt das genau?
De Vries: Unsere Pflegekräfte stoßen nicht nur auf Akzeptanz bei den Bewohner*innen, die leider manchmal eine rassistische Prägung haben. Das liegt unter anderem auch daran, dass bei dementen Menschen – und 70 Prozent unserer Bewohner*innen sind dement – Dinge hervorkommen, die sie in früheren Kontexten gar nicht formuliert und gelebt hätten. Wir müssen aber nun damit umgehen.
Frau Seidensticker, mit der Firma The Trailblazers kommunzieren Sie für Unternehmen. Wie viel politische Verantwortung übernehmen Ihre Kund*innen?
Seidensticker: Wir betreuen Start-ups, mittelständische Unternehmen und Konzerne. Wenn wir auf den Mittelstand schauen, der vor allem in Ostwestfalen-Lippe so stark ist, sehen wir viele Beispiele, die den Mut haben, eine Haltung in der Öffentlichkeit einzunehmen – und das ist unserer Meinung nach auch eine Verpflichtung. Als The Trailblazers helfen wir Unternehmen dabei, sich politisch zu äußern und als Vorbild zu agieren.
Fordert das nicht sehr viel von Unternehmen?

Seidensticker: Manche haben anfangs Befürchtungen, sind dann aber sehr erleichtert, wenn sie etwas nach außen getragen haben, weil sie ein immens positives Feedback bekommen. Gleichzeitig merkt man, wie dankbar die Menschen darüber sind, dass sich Unternehmen politisch äußern und Haltung einnehmen, weil es für viele eine Orientierung bedeutet. Das ist übrigens enorm wichtig: Wir sind der Meinung, dass Haltung zu einer echten Währung geworden ist. Nur so können Unternehmen heute junge Menschen für sich gewinnen. Diese wollen für ein Unternehmen arbeiten, das eine Haltung hat – das weiß, wofür es steht, wofür es sich einsetzt.
Greiser: Das sehen wir genauso. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass wir nicht nur die deutsche Brille aufsetzen. Unsere Unternehmensstrategie, zu der Nachhaltigkeits-, Compliance- und Diversity-Themen gehören, gilt international. Dazu gehört auch, dass wir Respekt vor den Werten oder der Kultur anderer haben. Schüco besitzt globale Unternehmenswerte, die für alle Mitarbeitenden weltweit gelten und mit denen im Einklang man sich bewegt.
Frau Starken, in Ihrer Arbeit als Journalistin und Autorin haben Sie viele Einblicke in die Lebenswelt der Menschen gewonnen, gerade von denen, die die AfD wählen. Wie schauen Sie auf das politische Engagement von Unternehmen?

Starken: Ein sehr gutes Beispiel dafür sitzt gerade neben mir: Herr de Vries hat etwas gemacht, was ein Vorbild für viele Unternehmen sein sollte: In einer ZDF-Sendung vor der Bundestagswahl hat er Alice Weidel damit konfrontiert, was passieren wird, wenn es keine migrantischen Fachkräfte mehr gibt. Das Wahlprogramm und die Aussagen der AfD zeigen, wie Deutschland sich verändern würde, wenn die AfD Macht bekäme. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat dieses Jahr eine Studie veröffentlicht, die genau das analysiert hat: 2,5 Mio. Arbeitsplätze würden verlorengehen, es gäbe 690 Milliarden Euro Einbußen bei der Wertschöpfung und 181 Mrd. Euro weniger Steuereinnahmen, wenn wir aus der EU austreten und keine Fachkräfte mehr aus dem Ausland bekommen würden.
Also ist ein solches Engagement auch aus Ihrer Sicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit?
Starken: Ein politisches Engagement von Unternehmen gegen den Rechtsruck ist eine Verpflichtung. Die AfD sagt zwar: „Unsere Fachkräfte machen wir selbst.“ Das funktioniert aber nicht, die Geburtenrate ist viel zu schwach. Die Fakten sprechen dagegen, aber Menschen glauben es, weil sie eine gefühlte Wahrheit haben und es in ihr Weltbild passt. Für die Wirtschaft bedeutet das, dass sie für die Demokratie einstehen müssen. Es geht auch um die Wirtschaftsleistung, um Arbeitsplätze, um den Wohlstand in Deutschland.
Was können die Unternehmen aus Ihrer Sicht tun?
Starken: Es ist wichtig, die eigenen Mitarbeitenden mitzunehmen. Ich spreche darüber vor Unternehmen, vor Wohlfahrtsverbänden – auch bei Schüco habe ich zum Beispiel mit Azubis einen Workshop zum Thema Desinformation gemacht. So etwas ist toll, weil man direkt am Anfang ansetzen kann und erfährt, welche Werte die jungen Menschen haben und was eben auch nicht funktioniert.
Duncker: Das ist ein wichtiger Punkt: Als Unternehmen müssen wir den Menschen, die bei uns arbeiten, Raum und Gelegenheit geben, verschiedene Meinungen zu diskutieren. Voraussetzung ist, dass wir transparent machen, wofür wir stehen – und dann auch in einen Diskurs kommen. Das ist unsere Verantwortung als Unternehmen.
Was sollten Unternehmen nach außen, aber eben auch nach innen tun, um für die Demokratie einzustehen?
Seidensticker: Für uns selbst steht unsere starke Vision im Fokus: Wir glauben an eine wünschenswerte Welt für alle. Deswegen bewerten wir potenzielle Kund*innen auch danach, ob sie zu unseren Werten passen. Im Umgang mit anderen Meinungen müssen wir auf jeden Fall darauf achten, dass wir respektvoll bleiben, aber eben auch klare Grenzen setzen – im Privaten wie im Beruflichen. Was mich interessiert, Herr De Vries: Konfrontieren Sie Ihre Bewohner*innen damit, wenn sie sich zum Beispiel rassistisch gegenüber einer Pflegeperson äußern?
De Vries: Wir haben in der Palliativ- und Hospizarbeit keinen erzieherischen Auftrag. Deswegen ist es eine sehr große Herausforderung, damit umzugehen. Natürlich haben wir auch Probleme mit Menschen, bei denen ich die Mitarbeitenden sehr motivieren muss, überhaupt noch dahinzugehen. Was wir auch nicht vergessen dürfen: Eine Pflegekraft kann sich heute aussuchen, wo sie arbeiten möchte. Das gilt für diejenigen, die von unseren Bewohner*innen zum Beispiel beleidigt werden, aber auch für diejenigen, die eine Haltung haben, die nicht kompatibel zu unserer ist. Deswegen ist es für uns so wichtig, „Integrationsprofi“ zu werden – so nennen wir das. Das gilt für alle Richtungen.
Zick: Das ist sehr interessant, weil Unternehmen immer einen Ansatzpunkt finden müssen, der hinreichend attraktiv ist, um in den Diskurs gehen zu können. Wir haben ja keine Alternative, denn wir können nicht sagen: „Mit einem Drittel der Leute am Standort sprechen wir nicht mehr.“ Das Wirtschaftliche kommt auch hier wieder zum Tragen. Im Osten Deutschlands sagen viele Unternehmen, sie haben einen Standortnachteil: den Rechtsruck. Sie bekommen kaum noch Bewerbungen von ausländischen Mitarbeitenden. Da braucht es Mut der Unternehmer*innen – und manche müssen auch erst einmal dafür abgeholt werden.
Was empfehlen Sie?
Zick: Einige Unternehmen zeigen Mut und betonen, wie wichtig ihnen die Vielfalt im Unternehmen ist. Es gibt auch Kampagnen, aber das reicht noch nicht. Die Unternehmen müssen sich darauf einrichten, dass gesellschaftliche Polarisierungen auch sie erreichen. Sie sollten konfliktfähiger werden und nochmal nachdenken, ob ihre Werte hinreichend verankert sind. Das wäre auch die Lehre aus der Corona-Pandemie, die extrem viele Unternehmen gezeichnet hat. In der Situation gab es auch in den Firmen immer wieder diese Verhandlung darüber, was gerade in der Gesellschaft passiert. Das hat deutlich gemacht: In Demokratien sind Unternehmen gehalten, sich demokratisch zu engagieren. Die Frage ist also: Wie bekommen es Unternehmen besser hin, Räume zu schaffen, in denen die Mitarbeitenden als politische Menschen reden, verhandeln und auch Konflikte austragen können?
Seidensticker: Wenn ich noch ergänzen darf: Als sehr junges und auch deutlich kleineres Unternehmen als Goldbeck oder Schüco schauen auch wir in unserem Dunstkreis, was wir machen können. Wir haben schon öfter pro bono demokratische Initiativen unterstützt. Uns ist es wichtig, auch andere damit zu befähigen und darauf aufmerksam zu machen. Das geht nur, wenn es Vorbilder gibt – und wenn deren Zahl immer weiterwächst.
Das klingt nach sehr viel Arbeit für die Unternehmen. Wie können sie auch diese zusätzliche Aufgabe leisten?
Greiser: Wir haben im Unternehmen eine klare Kultur des Miteinanders und des Partizipativen, das bedeutet, dass Ideen zum Beispiel für den internen Austausch oder Initiativen von den Mitarbeitenden gewünscht und zugelassen werden. Wir können demokratisches Verhalten und erst recht Denken nicht von oben herab verordnen, sondern man muss die Menschen miteinander ins Gespräch bringen und dafür Raum und Gelegen-heit bieten. Ebenso wichtig finde ich, dass sich Unternehmen mit anderen Unternehmen vernetzen, um Synergien zu nutzen und voneinander zu lernen.
Duncker: Ich bin davon überzeugt, dass uns die möglichen Lösungen auch wirtschaftlich zugutekommen. Diese im Alltag umzusetzen, ist aber gar nicht so einfach. Da wir europaweit an mehr als 100 Standorten tätig sind, steigert das die Herausforderung. Aber: Wir wissen alle, dass wir an dieser Stelle aktiv sein müssen. Und: Ich nehme großes Interesse und viel Unterstützung der Kolleg*innen wahr – trotz voller Kalender!
Starken: Unternehmen müssen das ja nicht alleine machen. Es gibt viele gesellschaftliche Initiativen, die ein Interesse daran haben, Unternehmen zu unterstützen. Die Firmen dürfen auch lernen, nach Hilfe zu fragen, zum Beispiel auch bei der Wissenschaft: „Wie schaffen wir diese Räume? Wie gehen wir mit dem Thema um?“ Als Führungskraft weiß ich das nicht unbedingt und brauche einfach Expertise von außen. Wir haben ja alle ein Interesse daran und zusammen sind wir stärker.
Was würde Unternehmen helfen, sich politisch leichter äußern zu können? Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich zum Beispiel von der Politik?
Seidensticker: Die Unternehmen hier in der Region – die vielen Hidden Champions – kennen sich untereinander sehr gut. Wenn sie sich noch stärker zusammenschließen und mehr Hilfe von außen annehmen würden, wäre das schon ausreichend. Es ist einfach wichtig, Mut zu zeigen.
Duncker: Der Punkt, mit anderen an einem Strang zu ziehen, ist wichtig und auch entlastend für Unternehmen. Deswegen tauschen wir uns mit anderen aus, auch in sehr offenen Gesprächen, wo es hakt, was gut funktioniert und was nicht. Ich finde zudem eine intersektorale Zusammenarbeit sehr wichtig. Die Zivilgesellschaft unterstützt die Wirtschaft mit Angeboten, wie sie gesellschaftspolitische Verantwortung ganz konkret umsetzen kann. So gibt es zum Beispiel den Business Council for Democracy, in dem Goldbeck gemeinsam mit vielen anderen Unternehmen Mitglied ist.
Zick: Die Politik kann den Raum schaffen, mit Unternehmen darüber zu reden, wie man gemeinsam die Demokratie stärken kann. Als öffentliche Debatte habe ich das noch nicht gesehen. Deswegen sollte die Politik auf verschiedenen Ebenen die Unternehmen zum Gespräch über Werte und Demokratie einladen. Gemeinsam sollten wir mit allen Gruppen, gerne auch mit der Bildung und Wissenschaft, eine Willkommenskultur schaffen. Viele neu Hinzugezogene merken, dass diese zu schnell abnimmt. Auch das wäre eine Debatte, bei der Politik und Wirtschaft zusammen mit anderen Gruppen, die in Städten und Kommunen aktiv sind, zusammenarbeiten.
Greiser: Die neue Regierung muss zeigen, dass es einen Wandel geben kann und Deutschland wieder einen Aufschwung erlebt, wirtschaftlich, aber auch in Bezug auf die Stimmung im Land. Die Politik muss gemeinsam mit den Unternehmen daran arbeiten, das Land wieder erfolgreich und attraktiv zu machen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe zu zeigen, dass Demokratie sich lohnt und für Sicherheit und Wohlstand steht.
De Vries: Ich erwarte von der Politik, dass sie die Thematik, über die wir hier sprechen, nicht unterkomplex angeht. Der Populismus geht in Facetten durch alle Parteien. Das ist schwer zu ertragen. Wir sind ein Einwanderungsland und wir brauchen – gerade in dem Bereich, in dem wir tätig sind – viele Menschen, auch ohne Ausbildung. Das ist auch eine große Chance.
Starken: Das stimmt. Von den demokratischen Parteien erwarte ich deswegen, dass sie nicht über jedes Stöckchen der AfD, einer in großen Teilen rechtsextremen Partei, springen, um Wählerstimmen zu bekommen. Die Menschen wählen dann eben nicht diese Parteien, sondern das Original. Manche Menschen neigen heute dazu, aus Angst oder Frust ihre Freiheit gegen vermeintlich mehr Sicherheit eintauschen zu wollen. Die AfD spielt mit ihren Ängsten und sagt ihnen, dass sie es in die Hand nehmen würde, ihr Leben zu einem besseren zu machen. Deswegen müssen wir sie wieder positiv emotionalisieren, und es gibt viele Ansatzpunkte, die Menschen wieder zurückzubekommen. Wir müssen lernen, uns wieder vernünftig streiten zu können – dann können wir auch wieder eine positive Zukunftsvision entwerfen und diese nach vorne stellen.
Interview: Marc-Stefan Andres, Ulrike Meier | Fotos: Benjamin Janzen