30. September 2025
Unternehmensnachfolge im Mittelstand
Mit Neugier & Weitblick

Stefanie Bindzus tritt in die Fußstapfen ihres Vaters und leitet das Bielefelder Unternehmen ITV in zweiter Generation. Ihr Start als neue Geschäftsführerin war holprig. Heute denkt sie Unternehmensnachfolge und Mittelstand neu.
Die Geschichte der Unternehmensnachfolge ist selten geradlinig. Weder für die Person, die die Unternehmensführung abgibt, noch für die, die sie übernimmt. Auch für Stefanie Bindzus stand lange nicht fest, dass sie das Pneumatik-Unternehmen ihres Vaters übernehmen würde. Zwar war ihr das Geschäft vertraut – der erste Firmensitz lag im elterlichen Keller –, doch die eigene berufliche Reise führte zunächst in andere Richtungen. Heute ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der ITV GmbH in Bielefeld. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Peter Wittkämper richtet sie das Unternehmen für die Zukunft aus, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, wofür es seit 40 Jahren am Markt steht: mehr als 8.000 Produkte im Bereich Pneumatik und kundenspezifische Lösungen für nahezu alle Industriebereiche.
Der Weg an die Spitze war dabei alles andere als ein Selbstläufer. „Als ich 2001 ins Unternehmen kam, habe ich ganz normal in der Sachbearbeitung angefangen. Ich bin nicht direkt oben eingestiegen“, sagt Bindzus. Dass viele Mitarbeitende sie bereits als Kind kannten, machte den Rollenwechsel zur Chefin nicht einfacher. „Außerdem haben sie nicht auf mich gewartet.“ Sie musste sich ihren Platz selbst erarbeiten – mit Ausdauer und der Bereitschaft, auch unbequeme Aufgaben zu übernehmen, ist ihr das schließlich gelungen.
Jahre später übernimmt Stefanie Bindzus, gemeinsam mit zwei Kollegen, die Geschäftsführung. Ihr obliegt seither vor allem eins: Die Personalführung. „Trotz meines Ingenieurstudiums ist mir die menschliche Komponente immer schon sehr wichtig gewesen“, erklärt Bindzus. Das zeigt sich auch an ihrer Art der Unternehmensführung. „Kommunikation ins Team ist das Einzige, was bei der Einführung von Neuem hilft.“ Und so steht die Geschäftsführung im ständigen Austausch mit dem Team, hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Anregungen. „Mir ist wichtig, dass große Entscheidungen nicht über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg getroffen werden“, so Bindzus. Ihr Vorgehen zahlt sich aus: „Wenn wir mit Digitalisierungsmöglichkeiten um die Ecke kommen, reagiert nur ein geringer Teil ablehnend und auch nur im ersten Moment.“ Stefanie Bindzus schafft es mit ihrer offenen und empathischen Art, jeden einzelnen Mitarbeitenden auf dem Weg in eine digitale Welt mitzunehmen.
„Neugier ist der Schlüssel zu Innovation und nachhaltig erfolgreichem Unternehmertum.“
Stefanie Bindzus
ITV ist ein Unternehmen, das sich aktiv mit der eigenen Zukunft beschäftigt. Digitalisierung, cloudbasierte Warenwirtschaftssysteme, Künstliche Intelligenz und ein wachsender Fokus auf moderne Personalführung haben das Unternehmen verändert. Die treibende Kraft dahinter: Stefanie Bindzus. Aktuell stellt der demografische Wandel das Unternehmen vor neue Herausforderungen. Viele Mitarbeitende sind seit Jahrzehnten an Bord, werden das Unternehmen allerdings bald verlassen. Doch auch da verfolgt Stefanie Bindzus eine klare Linie: „Jetzt geht es darum, das Wissen der älteren Generation zu sichern und eine neue Generation dafür zu begeistern. Gleichzeitig müssen wir auch auf die veränderten Bedürfnisse der Arbeitnehmenden eingehen.“ Dabei setzt Bindzus auf Kommunikation, Transparenz und Neugier: „Wir wollen das neugierigste mittelständische Unternehmen Deutschlands werden, denn ich bin der Meinung, dass man die Dinge nicht einfach immer so hinnehmen sollte, wie sie sind, sondern neugierig hinterfragen muss. Das ist der Schlüssel zu Innovation und nachhaltig erfolgreichem Unternehmertum.“
Und wie blickt Bindzus auf das Thema ihrer Nachfolge? „Wir denken heute schon daran“, sagt sie offen. „Fünf bis zehn Jahre dauert so ein Prozess. Eine Nachfolge braucht Zeit, Planung und Vertrauen, das wissen wir aus eigener Erfahrung.“ Für Bindzus ist klar: Eine gute Übergabe erfordert nicht nur betriebswirtschaftliches Denken, sondern auch emotionale Intelligenz. Generell sehe sie aber eine große Chance im Mittelstand. „Viele mittelständische Unternehmen haben keine geeignete Nachfolge, sind am Markt aber bereits etabliert.“ Es sei wesentlich einfacher, bestehende Strukturen zu übernehmen, als neue zu schaffen, so ihre Einschätzung.
Die Geschichte von Stefanie Bindzus ist ein starkes Plädoyer für die Zukunft des Mittelstands. Sie steht für Mut zur Verantwortung, für Bielefeld als Standort für Innovation und ist ein Paradebeispiel für eine gelungene Nachfolge.